Warum ich nicht mutig bin
Wenn ich erzähle, dass ich acht Monate auf Weltreise war und nun als digitale Nomadin allein durch die Welt reise, ist das nächste, was mein Gesprächspartner sagt, in vielen Fällen:
„Du bist aber mutig!“
Zum ersten hat mir das 2010 jemand gesagt, als ich auf dem Weg zu meinem Volontariat in Costa Rica drei Tage in New York verbracht habe.
Mein Hostel lag nur einen Block von Harlem entfernt.
Ich weiß nicht mehr genau, warum – ich glaube, ich musste mein Ticket für den Weiterflug nach San José drucken – auf jeden war ich auf der Suche nach einem Ort mit Internet.
Ich wurde zur nächsten Bibliothek geschickt – ohne zu wissen, dass die bereits mitten in Harlem liegt.
Dort angekommen, ließ ich mir Zeit, denn draußen war es eisig kalt. Ich war bisher zweimal in New York und beide Male habe ich mir den Februar für meinen Besuch ausgesucht.
Sehr unlogisch für eine Frostbeule wie mich.
Irgendwann kam ich mit einer Angestellten ins Gespräch, die sich wunderte, was ich da so allein trieb, und als ich erzählte, dass ich auf dem Weg nach Mittelamerika war, um dort Freiwilligenarbeit zu leisten, sagte sie ganz erstaunt:
„You’re so brave“
Ich wusste nicht, ob ich das als Kompliment nehmen sollte. Deswegen fragte ich nach, warum ich denn mutig sei.
„Naja“, sagte sie, „du stehst hier ganz allein mitten in einem der gefährlichsten Stadtteile New Yorks und erzählst mir, dass du – ebenfalls allein – nach Mittelamerika reist. Ich würde mich das nicht trauen.“
Diese Äußerung hatte ich schnell wieder vergessen, da das für mich völlig absurd war! Sie kam mir aber wieder in den Sinn, als ich plötzlich regelmäßig mit dieser Aussage konfrontiert wurde.
Ich glaube nicht, dass da etwas dran ist.
Ich bin nicht mutig.
Oder ist es Mut, wenn man seinem Herzen folgt?
Ich habe schon als Teenager gesagt, dass ich mich erst „vollständig“ fühle, wenn ich am Meer bin. Wenn die Sonne auf meine Haut strahlt. Wenn ich den Sand unter meinen Füßen spüre. Somit war es für mich eine logische Konsequenz, mein Leben so auszurichten, dass ich mich möglichst häufig „vollständig“ fühle. Verständlich, oder? Aber mutig?
Oder ist es Mut, wenn man auf seinen Körper hört?
Seit vielen Jahren habe ich Knieprobleme und Sehnenscheidenentzündung in so ziemlich allen Gelenken, in denen man sie haben kann. Die Schmerzen habe ich aber im Normalfall nur, wenn es kalt und nass wird. Es ist dann wohl eine logische Entscheidung, dass ich mich so viel wie möglich in warmen und trockenen Gegenden aufhalten möchte. Auch das kann man nachvollziehen, oder? Aber ist das mutig?
Oder ist es Mut, wenn man dort arbeiten möchte, wo man produktiver ist?
Büroarbeit war noch nie mein Ding. Auch einen Schreibtisch finde ich grundsätzlich eher abschreckend. Wenn ich aber am Meer bin, werde ich plötzlich kreativ. Mir kommen neue Ideen und meine Finger tippen die Worte wie von selbst. Ist es also nicht die einzig mögliche Schlussfolgerung, so oft wie es in meiner Macht steht, für ein solches Umfeld zu sorgen? Verständlich, oder? Aber ist es mutig?
Oder ist es Mut, wenn man seine Ziele erreichen möchte?
Ich hatte mit Anfang zwanzig genau drei Ziele, die ich bis zu meinem 30. Geburtstag erreichen wollte.
- Ich wollte nach dem Magister einen Master in Konferenzdolmetschen machen… Dieses Ziel habe ich im September 2014 mit 27 Jahren erreicht.
- Ich wollte einmal die Welt umrunden… Dieses Ziel habe ich am 20. Juni 2015 mit 28 Jahren erreicht.
- Ich wollte meine Doktorarbeit schreiben… Dieses Ziel werde ich nicht erreichen.
Und was ist mein neues Ziel?
Schlicht und ergreifend: gesund und glücklich zu sein!
Es gibt sicher noch mehr, das gegen Mut spricht.
Was es ist, weiß ich nicht. Und vielleicht werde ich es auch nie wissen.
Allerdings bin ich ganz sicher, dass ich nicht mutig bin.
Toller Artikel :) Du hast mit deinen Argumenten vollkommen recht, allerdings gehört zur Freiheit und zu vielleicht unbequen Entscheidungen sowie zum Aufbruch ins Unbekannte auch eine Portion Mut. Deshalb bist du auch ein wenig Mutig ;) Denn Mut bedeutet nicht unbedingt furchtlosigkeit.
LG Nils
Hi Nils,
na gut! Eine kleine Portion Mut habe ich vielleicht :)
Liebe Grüße
Barbara
Hi Barbara,
aha, jetzt versteh ich noch besser, was du mir kürzlich geschrieben hast ;)
Und ich bin weiterhin der Meinung, dass du mutig bist. Sehr sogar! Das gute daran ist, dass du dir dessen gar nicht bewusst bist, weil du für dich keine mutigen Entscheidungen triffst sondern logische. Dass ist eine sehr wertvolle Einstellung und da sollten sich so einige Menschen eine große Scheibe von abschneiden.
Wenn etwas in deinem Leben nicht passt oder dazu führt, dass du dich nicht gut fühlst, dann ergreifst du genau die richtigen Maßnahmen. Auch wenn diese Maßnahmen für Außenstehende irgendwie riskant erscheinen.
Aber genau darum geht es, wenn wir glücklich werden wollen: erkennen was schief läuft, erkennen was wir dagegen tun können und es dann umsetzen.
Und solange das noch so wenige Menschen machen, wirst du noch häufiger hören, dass du mutig bist. Und ja, sieh es als Kompliment an :)
Ich finds auf jeden Fall super, wie du deine Entscheidungen triffst!
Lg
Steffi
Hi Steffi,
ich freue mich sehr über deinen Kommentar!
Ich habe mittlerweile von so vielen Menschen gesagt bekommen, dass meine Argumente zwar stimmen, ich aber trotzdem mutig bin, dass ich euch jetzt einfach mal glaube… Ich sehe das so: Für mich ist es weiterhin kein Mut, aber ich akzeptiere, dass mein Handeln für andere mutig ist.
Gerade gestern habe ich hier auf Sizilien zwei junge Männer im Bus angesprochen, weil sie IM BUS geraucht haben und einfach ihren Müll aus dem Fenster geschmissen haben. Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich schämen sollten und es wegen solch einem Verhalten ist, dass meine geliebte zweite Heimat nicht aus der Krise kommt. Ich war mit einem Freund unterwegs… Der fing kurze Zeit später an zu grinsen. Als ich ihn fragte, warum, sagte er: „Du schreibst einen Artikel, dass du nicht mutig bist, hast aber den Mumm zwei junge Männer, die offensichtlich betrunken oder schlimmeres waren, auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen! Du sagst den Leuten, deine Meinung. Das traut sich nicht jeder und ist definitiv mutig.“ Da war ich ganz schön baff!
Naja, genug jetzt ;) Muss mal weiterarbeiten…
Liebe Grüße und fühl dich gedrückt!
Barbara
„Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern trotz der Angst zu tun, was man für richtig hält.“ Ich weiß nicht mehr genau, wo ich das gelesen habe, aber bei mir hat das oft gestimmt. Vielleicht passt es bei dir ja auch ein bisschen :)
Liebe Sarah,
ja, ich denke, es passt :) Ich bin auch mittlerweile ein bisschen überzeugt worden, dass ich vielleicht doch eine kleine Portion Mut habe.
Danke dir!
Hey Barbara, witziger Zufall, habe vor zwei Tagen selbst einen Artikel zum Thema Mut veröffentlicht^^
Ich denke, dass die Leute, die du getroffen hast recht haben. Du BIST mutig, nur hast du durch deine Leidenschaft und auch durch deine Gesundheit eine gute Motivation, es zu sein. Schließlich gibt es auch etliche Leute, denen es wie dir geht, dass sie merken, dass ihnen ihr Lebensstil nicht gut tut, die aber trotzdem nichts ändern, weil sie den Mut nicht aufbringen.
Liebe Grüße aus Taghazout
Jannis
Hi Jannis,
ich habe meine Blogpost aber schon im Oktober geschrieben ;) Habe ihn nur gerade wieder rausgekramt…
Okeeee, vielleicht bin ich schon irgendwie mutig, aber es fühlt sich gar nicht so an :D
Liebe Grüße aus der Negevwüste,
Barbara