Nablus und Jenin – Mein erster Ausflug nach Palästina
Als ich dieses Jahr für die TBEX nach Jerusalem gereist bin, war für mich klar: Ich muss diesmal nach Palästina. Das Land wird auch Westjordanland (bzw. auf Englisch Westbank) genannt, da es an den westlichen Ufern des Jordans liegt. Ich persönlich hatte immer das Gefühl, dass der Begriff Westbank abschätzig verwendet wird. Aber das habe ich nicht bestätigt bekommen und es war nur so ein Gefühl.
Dem Artikel voranstellen möchte ich, dass ich keine Politologin bin und auch nicht Partei ergreifen möchte. Ich bin lediglich eine Reisende und digitale Nomadin, die Länder, Orte und Kulturen aus erster Hand erfahren möchte.
Die Nablus und Jenin Tour
Ich habe zwei Tagestouren bei Abraham Tours gebucht: Die Tour nach Nablus und Jenin und die Best of Westbank Tour. Hier möchte ich dich an die verschiedenen Orte der Tour nach Nablus und Jenin entführen – zwei Orte, die ich zuvor nicht kannte! Aber die Nablus und Jenin Tour wurde mir empfohlen, sodass ich bereitwillig zum ersten Mal nach Palästina fuhr.
Ich döste im Taxi vor mich hin, da wir früh abgeholt worden waren. Nach etwa 20 Minuten hielten wir am Rand der Straße. „Wir müssen jetzt auf den Guide warten“, sagte der Taxifahrer. Ich hatte nur Fragezeichen in den Augen, hoffte aber, dass der Guide uns erklären würde, was hier vorging und fragte nicht weiter.
Weitere fünf Minuten später kam ein schwarzer Minibus. Dort sollten wir einsteigen. Ein Mann kam uns entgegen und stellte sich als Ashraf vor, unser Tourguide für den Tag.
Kiryat Luza
Auf dem Weg zu unserer ersten Station, Nablus, erklärte er, dass er nicht nach Israel einreisen könne und deswegen dieser fliegende Wechsel hinter der Grenze gemacht werden müsse.
„Hinter der Grenze?“, fragte ich verwirrt.
„Ja, hast du den Jackpoint nicht gesehen?“, entgegenete Ashraf. Ich war völlig irritiert, dass mir das entgangen war und dass es offensichtlich keinerlei Kontrollen gab.
Wir fuhren eine ganze Weile, bis wir unser erstes Ziel erreichten. Schon bei dieser Autofahrt fiel mir auf: Das Land ist grün und einfach wunderschön. Irgendwie hatte ich ein lebloses Land erwartet – keine blühenden Bäume und satte Wiesen.
Als wir Kiryat Luza in den Höhen des Berges Garizim erreichten, lag Nablus unter uns in den Wolken – oder war es Nebel? Ich weiß es nicht. Der Ort ist auf jeden Fall die Heimat der letzten Samaritaner: Etwa 700 Anhänger dieser Religionsgemeinschaft gibt es noch und 90 Prozent davon leben hier.
Nablus
Danach sind wir in die Stadt Nablus runtergefahren, die eine römische Gründung namens Flavia Neapolis war, und haben uns die drei Hauptsehenswürdigkeiten angeschaut:
Jakobsbrunnen
Am Jakobsbrunnen soll Jesus auf dem Weg von Jerusalem nach Galiläa auf eine Samariterin getroffen sein und mit ihr ein theologisches Gespräch geführt haben. Um den Brunnen herum wurde eine griechisch-orthodoxe Kirche gebaut.
Der Brunnen befindet sich in der Krypta und man kann bis heute Wasser aus ihm schöpfen. Direkt daneben sitzt der Priester, der maßgeblich die Instandhaltung der Kirche in den letzten Jahrzehnten beeinflusst hat: Abuna Justinus.
Die Ausgrabungsstätte Balata
Nicht weit vom Jakobsbrunnen befindet sich die Ausgrabungsstätte Balata. Sie ist UNESCO Welterbestätte und wird zum Teil auf 4000 vor Christus datiert! Leider ist nicht mehr so viel übrig, was du bewundern kannst. Beeindruckend finde ich es trotzdem:
Der Souq
Als nächstes fuhren wir zum Souq. Dort warteten die üblichen Köstlichkeiten, Obst und Gemüse sowie Gewürze aus der arabischen Welt. Es roch fantastisch und die Rufe der Marktschreier folgten uns durch die engen Gassen.
Das Highlight war eine Moschee, an der ich garantiert vorbeigelaufen wäre, wenn ich meinen Weg durch den unübersichtlichen Markt ohne Guide hätte finden müssen. Von außen unscheinbar war der Bau von innen ziemich beeindruckend.
Ich wollte nur noch ein schnelles Foto machen, während die anderen schon weitergingen. Da signalisierte mir ein Mann, ich solle die Schuhe ausziehen. Ich war zwar gar nicht auf dem Teppich, aber gut. Ich wollte ja nicht despektierlich erscheinen. Kaum hatte ich die Schuhe ausgezogen, bedeutete er mir mit einer Handbewegung, ihm zu folgen, er drehte sich um und lief los. Ich schaute nach draußen, in der Hoffnung, ich könnte jemandem aus meiner Gruppe Bescheid geben, sah aber niemanden.
Also hoffte ich, dass sie meine Abwesenheit von allein bemerken würden und folgte ihm auf leisen Sohlen. Ich holte ihn ein und versuchte zu erklären, dass ich zu meiner Gruppe zurück müsse, aber er lächelte nur und ging weiter. Zweimal um die Ecke und dann standen wir vor diesem Raum, der eher einer Höhle glich. Ich machte ein Foto und sagte ehrfürchtig „Shukran, shukran, but I really need to go back“, und war froh wenigstens auf Arabisch danke sagen zu können.
Der Guide wartete bereits am Eingang zur Moschee auf mich. Ich entschuldigte mich und erklärte ihm, dass ich nicht unhöflich sein wollte. Er verstand es und erklärte mir, dass der Mann es genießt, Touristen den Gebetsraum zeigen zu können. Schließlich ist Nablus keine Touristenhochburg und da freuen sich die Leute, wenn man sich für sie und ihre Kultur interessiert. Ich blickte zurück und mit einem Kopfnicken bedankte ich mich mit einem weiteren „shukran“.
Wir liefen weiter durch den Markt, der einer der größten war, den ich je besucht habe.
Jenin
Die Fahrt ging weiter nach Jenin. Auch von diesem Ort hatte ich noch nie gehört. Ashraf hatte hier etwas Besonderes mit uns vor: „Die Menschen glauben, dass Palästina gefährlich sei. Sie haben Angst. Deswegen möchte ich auf meinen Touren immer, dass die Reisenden einmal alleine durch eine Stadt laufen. Seid in einer Stunde wieder hier!“
Ich war völlig perplex und meine erste Reaktion war: „Meint der das Ernst? Das kann der doch nicht machen! Was, wenn wir uns verirren?“ Aber dann lief ich mit den anderen los und wir schlenderten über den Markt, bekamen Erdbeeren und Mandarinen angeboten und als der Muezzin anfing, von der Moschee zu rufen, war der „Orient-Moment“ perfekt. Keine negativen Gefühle, keine Angst, keine Bedrohung. Nur freundliche, lächelnde Menschen in einer arabischen Stadt.
Flüchtlings-Camp nahe Jenin
Am Schluss fuhren wir noch in ein Flüchtlingslager in der Nähe der Stadt. Ich hatte erwartet, dass Zelte auf uns warten würden. Mit echten Häusern hatte ich nicht gerechnet. Dennoch sind die Bedingungen würdelos: Die Häuser sind – um Platz zu sparen – so eng gebaut, dass man mit den Nachbarn problemlos gemeinsam fernsehen könnte, und wer das Lager verlässt, hat seinen Anspruch verloren.
Es wurde 1953 infolge des israelisch-arabischen Krieges gegründet. Hier konnten die vertriebenen Palästinenster unterkommen. Sie hatten wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass ihre Enkelkinder hier aufwachsen würden.
Die Kinder freuen sich immer über Touristen! Fröhlich liefen sie um uns herum und fragten uns mit stolz geschwellter Brust: „Hello, what’s your name?“.
Der Tag ging zu Ende und während wir ins Abraham Hostel, unsere Unterkunft in Jerusalem, zurückgebracht wurden, blieb Ashraf in Palästina. Die Erfahrung war bewegend und der Tag hat mich wünschen lassen, dass ich mehr Zeit in Palästina verbringen könnte. Ich freute mich schon auf Runde zwei! Denn neben der Nablus und Jenin Tour hatte ich ja noch die Best of Westbank Tour gebucht!
Warst du schon einmal in Palästina bzw. im Westjordanland? Wie waren deine Erfahrungen dort?
Sehr schöne Fotos!
Interessant auch, wie schnell sich eine Stadt ändert. 2002 war Jenin für einige Wochen Schauplatz eines ziemlichen heftigen Gefechts, fast schon eines kleinen Kriegs.
Ich war bei vielen meiner Reisen in Israel im Westjordanland, oft auch im eigenen Auto unterwegs. Insbesondere wenn ich First-Time-Israel-Besucher dabeihatte, war das immer eine interessante Erfahrung. Bis auf die Kinder, die mich in Jericho mit Steinen beschmissen, war es nie gefährlicher als Israel, d.h. überhaupt nicht gefährlich.
Am schönsten war es in den 1990ern nach dem Oslo-Friedensprozess, als es gar keine Chekpoints gab. Man wusste gar nicht auf Anhieb, wann man in Israel und wann im Westjordanland war.
Danke dir, lieber Andreas!
Freut mich sehr, dass ich dich fotografisch ins Westjordanland des Jahres 2017 mitnehmen konnte.
Liebe Grüße aus Bali!
Barbara
Hallo Barbara,
danke für die tollen Eindrücke und von einem komplett anderem Bild, was einem immer in den Medien geboten wird. Ich bin immer davon ausgegangen dass Palestina in Schutt und Asche liegt. Aber dass du nicht von dem Checkpoint mitbekommen hast, finde ich auch lustig und sehr interessant. Ich hätte angenommen, dass man bei der Grenze total durch kontrolliert wird. Tolle Bilder!
LG Anja
Hallo Anja,
genau das hatte ich auch erwartet! Ewig dauernde Kontrollen an der Grenze und dahinter ein schwarzes, dunkles Land, mit Menschen, die vom Schicksal gezeichnet sind und so rumlaufen, wie die Menschen in Filmen über den Zweiten Weltkrieg. Ich war so überrascht, dass die dort alle „normal“ leben. Also klar: Palästina wird von Israel kontrolliert und die Menschen haben krasse Einschränkungen. Aber die meisten haben sich anscheinend mit dem Schicksal abgefunden und leben ein scheinbar glückliches Leben. Das ist unglaublich!
Liebe Grüße,
Barbara
Hallo Barbara,
vielen Dank für den schönen Beitrag! Ich habe bisher noch keine Blogs kennen gelernt, die dieses Reiseziel angestrebt haben! Es ist schon verblüffend, wie anders die Länder und Kulturen sind! Mein Highlight wäre sicherlich der große Markt gewesen!
Respekt vor deiner Reise!
Liebe Grüße,
Alex.
Hallo Alex,
danke dir :) Märkte sind ganz schnell kein Highlight mehr, wenn man in dieser Region unterwegs ist. In jeder Stadt gibt es einen und einer faszinierender als der andere. Ganz besonders ist der in Jerusalem, weil er noch genauso aussieht wie zu Zeiten Jesu. Ähnlich ist es in Nazareth. Da bringst du mich auf eine neue Blogpost-Idee :D Der Märkte Israels und Palästinas :D Danke!
Liebe Grüße,
Barbara
Danke ! Wunderschöne Bilder von Nablus !
„Bei dem Bronn, zu dem schon weiland
Abram ließ die Herde führen,
Bei dem Eimer, der dem Heiland
Kühl die Lippe durft‘ berühren;
Bei der reinen, reichen Quelle,
Die nun dorther sich ergießet,
Überflüssig, ewig helle
Rings durch alle Welten fließet…“
Ich habe zu danken :D
Ganz liebe Grüße aus Singapur,
Barbara